Korruption «Made in Switzerland» /

Willkommen in der Schweiz, dem Paradies für Wirt­schafts­kriminelle

Sie sind die Tochter eines Autokraten, ein zwielichtiger Financier oder ein gewissenloser Erdölhändler? HERZLICH WILLKOMMEN – Switzerland is yours!

 

Die Schweiz bietet Ihnen grosse Vorteile und empfängt Sie mit offenen Armen. Wir stellen nicht zu viele Fragen und sind bekannt für milde Gerichtsurteile bei Korruption oder Geldwäscherei. Schliesslich wollen wir unseren Ruf als Standort erster Wahl für Steuerhinterziehung und kriminelle Gelder nicht gefährden. Geld stinkt bekanntlich nicht…!

 

Klar, aufgrund des internationalen Drucks mussten wir leider die eine oder andere Anpassung vornehmen. Aber keine Sorge: Wir haben das im Griff und sind kreativ! Die Schweiz ist nach wie vor ein sicherer Hafen für Wirtschaftskriminelle der gehobenen Klasse (ab 10 Mio. Franken Vermögen) – vorausgesetzt, Sie wissen sich zu helfen.

 

Hier finden Sie alle Informationen, um die Vorteile der Schweiz und alle ihre Schlupflöcher voll auszunutzen Public Eye berät Sie gerne bei Ihren korrupten Machenschaften…

Kleines Hand­buch für Wirtschafts­kriminelle


Warum ist die Schweiz eine Traumdestination für Wirtschaftskriminelle? Wer sind die richtigen Ansprech- und Geschäftspersonen, die Ihre Vorhaben ermöglichen? Public Eye hat für Sie diesen Werkzeugkasten zusammengestellt, der Ihnen hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Korruption «Made in Switzerland» /

Kapitel 1


12 Gründe für die Schweiz

Entdecken Sie die Vorteile und Gesetzes-Schlupflöcher unseres schönen Landes.




Noch ein paar weitere Jahre Freiheit! Am 19. März 2021 wurden Teile des Entwurfs für eine Revision des GwG (des Geldwäschereigesetzes von 1997) versenkt. Mit den vorgeschlagenen Anpassungen sollten Anwält*innen, die für Sie Briefkastenfirmen oder Trusts gründen, leiten oder verwalten, dem GwG unterstellt werden. Die zuständige Parlamentskommission, der mehrere Anwält*innen angehören, lehnte dies mit der Begründung ab, dass damit eine «ernsthafte Beeinträchtigung» des Berufsgeheimnisses verbunden wäre.

 

Für Ihre Berater*innen gibt es somit weiterhin keinerlei Sorgfalts- oder Kontrollpflicht. Solange sie nicht für Ihre Bankkonten zeichnungsberechtig sind, sind sie auch nicht verpflichtet, dubiose Machenschaften an die Meldestelle für Geldwäscherei zu melden.

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Anders als die Anwält*innen unterliegen die Schweizer Banker*innen seit über 25 Jahren leider dem Geldwäschereigesetz. Theoretisch kann ihnen die Justiz drei verschiedene Tatbestände vorwerfen: Banker*innen können selbst der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) bezichtigt werden. Oder sie werden angeklagt, weil sie die Herkunft der Gelder und den wirtschaftlich Berechtigten der Gesellschaften nicht ausreichend abgeklärt haben (Art. 305ter StGB). Oder aber weil sie der Meldepflicht im Verdachtsfall nicht nachgekommen sind (Art. 37 GwG).

 

Aber keine Sorge: Ihr Banker muss einfach nur sehr nachlässig arbeiten, dann wird ziemlich sicher nichts passieren. Wenn er zum Beispiel Ihre Unterlagen nicht lange genug aufbewahrt oder behauptet, höchst auffällige Finanztransaktionen nicht bemerkt zu haben, wird es höchstens eine kleine Busse absetzen. Keine Strafe gibt es hingegen, wenn die Justiz die kriminelle Herkunft der Gelder nicht beweisen kann.



Bei «begründetem» Verdacht ist Ihr Banker oder Vermögensverwalter verpflichtet, eine Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei zu machen. Das ist die viel gepriesene «Selbstregulierung»! In diesem etwas verkehrten System ist es verständlich, dass Ihre Ansprechpersonen manchmal auf eine Meldung verzichten, indem sie mit der Interpretation von Begrifflichkeiten rumspielen. Bei einem «einfachen» Verdacht, oder wenn Sie bestimmte Unterlagen nicht vorlegen, kann es auch vorkommen, dass Ihnen diskret geraten wird, die Bank zu wechseln. Alles halb so wild: Niemand erfährt etwas davon.

 

Ganz anders in Frankreich: Dort löst jede Einzahlung oder Abhebung von über 10’000 Euro Bargeld eine Meldung an die zuständige Behörde aus. Und die meisten Banken übermitteln systematisch Informationen über Transaktionen ab einer Höhe von 150’000 Euro, bei denen der tatsächliche Begünstigte nicht eindeutig identifiziert werden kann.



Was geschieht, wenn Sie einen übereifrigen Vermögensverwalter haben, der, obwohl er nicht dazu verpflichtet wäre, doch die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) einschaltet? Und Ihre Konten gesperrt werden, so dass Sie beispielsweise keine Überweisung mehr nach Litauen tätigen können, um den Ex-Transportminister der Ukraine für seine wertvollen Dienste zu entschädigen? Glücklicherweise zählt die kleine Meldestelle nur etwa 40 Angestellte, die Tag und Nacht unter «archaischen» Bedingungen arbeiten, wie es der ehemalige Leiter der MROS beschrieben hat.

 

2020 waren mehr als 6000 Meldungen von Banken noch nicht bearbeitet. Und in einem Viertel der Fälle mussten die armen Mitarbeitenden die per Post empfangenen Bankdaten Ziffer für Ziffer am Computer erfassen. Ganze Kisten konnten verloren gehen. Seit 2021 dürfen die Banken Ihre Unterlagen aber nur noch auf elektronischem Weg einsenden. Bloss tun dies noch längst nicht alle… Mit etwas Glück können also immer noch Unterlagen verloren gehen.

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Wurde Ihr Unternehmen durchsucht? Nur keine Angst: Sie haben die Möglichkeit, das Schweizer Justizsystem an der Nase herumzuführen, indem Sie die Aushändigung Ihrer beschlagnahmten Dokumente an die Ermittler*innen während Monaten oder gar Jahren blockieren. Dafür müssen Sie sich lediglich auf Artikel 248 der Strafprozessordnung berufen. Diese Bestimmung ermöglicht die «Versiegelung» beschlagnahmter Unterlagen. Somit darf die Strafbehörde die Materialien weder einsehen noch auswerten, weil die Informationen angeblich gesetzlich geschützte Geheimnisse enthalten.

 

Im Klartext: Hat die Polizei eine Festplatte Ihres Unternehmens beschlagnahmt, so argumentieren Sie, dass darauf persönliche Informationen enthalten sind oder solche, die unter Geheimhaltung fallen, z.B. die Korrespondenz mit Ihren Anwälten. Das Verfahren wird dann lahmgelegt, bis ein unabhängiges Gericht einen Entscheid fällt. Dieses Spielchen lohnt sich immer, wenn Sie auf Verjährung setzen wollen.



Gehen wir mal davon aus, Sie haben sich mühsam Ihr Vermögen aufgebaut und auf sicheren Schweizer Bankkonten deponiert. Nun werfen Ihnen Beamt*innen Ihres Heimatlandes vor, Sie hätten dieses Vermögen unrechtmässig erworben. Sie gehen sogar so weit und bitten die Schweiz um Rechtshilfe. Zu Ihrem Glück ist die Schweiz aber besonders pingelig bei Rechtshilfeersuchen. Wenn diese also nicht präzis genug sind, stehen die Chancen gut, dass die Gesuche von einer Amtsperson, die es ganz genau nimmt, aus formalistischen Gründen zurückgewiesen werden.



Nehmen wir an, der Schlag erfolgt aus dem Ausland, und Sie sind in die Fänge der Schweizer Justiz geraten. Litauen hat bspw. ein Rechtshilfegesuch an die Bundesanwaltschaft in Bern gestellt. Nun will das baltische Gericht alle Sie betreffenden Bankunterlagen einsehen: Ihr ukrainischer Freund, der Ex-Transportminister, dem Sie grosszügige Beträge überwiesen haben, wurde in Vilnius verhaftet und hat vor den Ermittler*innen ausgepackt.

 

Die Schweiz steht kurz davor, Ihre Akten zu übermitteln. Jetzt nur nicht aufgeben! Lieber legen Sie Rekurs ein – selbst unter falschem Vorwand. Damit gewinnen Sie mehrere Monate oder bis zu einem Jahr Zeit. Sie können sogar zweimal rekurrieren: einmal beim Bundesstrafgericht und einmal beim Bundesgericht. Verzögerungstaktiken sind immer nützlich, um auf Verjährung zu spielen.

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Sie brauchen eine Briefkastenfirma zur Steuerhinterziehung oder Verschleierung dubioser Geschäfte? Im grossen Markt für Offshore-Firmen sind unsere Anwält*innen und Treuhänder*innen anerkannte Expert*innen. Sie sind wahre Meister*innen im Erschaffen leerer Hüllen und Firmenkonstrukte, auf die die Justiz keinen Zugriff hat. Am liebsten agieren sie in Panama, auf den British Virgin Islands oder auch in der Schweiz.

 

Wer ohne Schweizer Wohnsitz in der Schweiz eine Firma gründen will, kann dies mit ein paar Klicks tun. Entsprechende Angebote finden sich im Internet zuhauf. Teils wird ein «Hausdienst» mit Schweizer Telefonnummern angeboten, um die Illusion der Echtheit zu erzeugen. Dazu werden Anrufe und Briefe weitergeleitet. Das Paket gibt es für 99 Franken pro Monat. Und schon schmückt der kryptische Name Ihrer Firma einen von vielen Briefkästen in Genf, Zug oder Lugano. Das Beste daran: Da die Schweiz kein öffentliches Register der Begünstigten von Unternehmen einführen will, wird Ihre Identität niemals aufgedeckt werden.

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Sollten Sie trotz aller Vorkehrungen doch erwischt werden, haben Sie dennoch Glück: Seit der Revision des Strafgesetzbuches von 2007 werden Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren automatisch auf Bewährung ausgesprochen. Als Wirtschaftskrimineller riskieren Sie nicht viel, ausser einer kleinen Busse und der Verpflichtung, die gestohlenen Gelder zurückzugeben.

 

Wenn Ihnen die Verbrechen oder Vergehen nicht direkt zugerechnet werden können, sieht Artikel 102 des Strafgesetzbuches eine maximale Busse von 5 Millionen Franken wegen Organisationsmängeln in Ihrem Unternehmen vor. Ein Taschengeld! Neben der Busse kann die Staatsanwaltschaft noch eine Ersatzforderung verhängen. Dabei handelt es sich nicht um eine echte Strafe, sondern bloss um den Einbezug Ihrer illegalen Gewinne.

 

Sie sehen: Die Schweizer Gesetzgebung wurde für anständige Menschen wie Sie gemacht!

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Handeln Sie mit Erdöl oder Metallen? Zögern Sie keine Sekunde, Ihre Handelsgesellschaft in der Schweiz registrieren zu lassen. Standort erster Wahl ist natürlich Genf. Die dortigen Banken werden Sie gerne finanzieren. Und es wimmelt von einschlägigen Handelskonzernen, kleinen Händlern und findigen Vermittlern. Eine einzige grosse Familie! Als valable Alternative bietet sich Zug an: Die liebliche Kleinstadt diente einigen der grössten Player in der Branche als Sprungbrett und bietet verlockende steuerliche Vorteile.

 

Im Schweizer Handelsregister erscheinen nur die Namen Ihrer Untergebenen (Verwaltungsratsmitglieder oder Geschäftsführende), während Sie selbst nicht aus dem Schatten Ihrer Aktiengesellschaft treten müssen. Und Sie haben einen weiteren gewichtigen Vorteil: Anders als Banker*innen, die dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind, müssen Händler*innen weder Sorgfaltspflichten erfüllen noch Angst vor einer Aufsichtsbehörde wie der FINMA haben. Vorsichtsmassnahmen bei der Auswahl Ihrer Geschäftspartner*innen oder Vermittler*innen von Öllieferungen? Kann Ihnen alles piepegal sein. Ist das Leben nicht herrlich?

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So ein Pech: Ihr Vermögen wurde von der Schweizer Justiz gesperrt, weil Sie dessen legale Herkunft nicht nachweisen konnten. Die kürzlichen Enthüllungen investigativer Journalist*innen haben Ihren Banker aufgeschreckt: Zu seinem eigenen Schutz hat er Sie jetzt doch bei der Meldestelle für Geldwäscherei gemeldet. Dadurch stellt er zudem auch sicher, dass sein Institut die Gelder samt Zinsen jahrelang behalten kann… zumindest solange die Justiz Ihres Landes deren kriminelle Herkunft nicht beweisen kann (oder will). Was ziemlich oft der Fall ist. Nach Ablauf der gesetzlichen Fristen werden die Gelder aber höchstwahrscheinlich wieder für Sie freigegeben oder – falls Sie bis dahin das Zeitliche gesegnet haben – Ihren Nachkommen ausgehändigt.



Sie sind eine politisch exponierte Person (PEP) und möchten Ihre in Zypern hart erschlichenen Schmiergelder investieren? Träumen Sie von einem Schloss oder einem gediegenen Herrenhaus mit Seeblick? Schlagen Sie zu, denn der Schweizer Gesetzgeber hält es immer noch nicht für nötig, die Immobilienbranche dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen. Weder Makler*innen noch Notar*innen sind verpflichtet, die Herkunft Ihrer Gelder zu überprüfen und werden deshalb auch keine lästigen Fragen stellen.

 

Um Rückschlüsse auf Ihre Person zu vermeiden, kaufen Sie Ihren lauschigen Rückzugsort nicht in Ihrem eigenen Namen, sondern über Mittelspersonen. Oder aber über Offshore-Firmen, die in einem Steuerparadies registriert sind. Das beste Konstrukt überhaupt: Bezahlen Sie Ihre Immobilie ohne Beteiligung einer Schweizer Bank, dank einem komplexen Zusammenspiel von Krediten zwischen mehreren Scheinfirmen, die Sie kontrollieren. Sobald Sie Ihre Liegenschaft erworben haben, können Sie damit bei einer seriösen Schweizer Bank einen Kredit erhalten. Oder Sie lassen sich für Umbauarbeiten viel zu hohe Rechnungen ausstellen – und schwupps, schon sind Ihre Gelder weissgewaschen. 

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Leider währt nichts ewig. Nach den anonymen Nummernkonten, die über Jahrzehnte bei Steuerhinterziehung und dem Waschen von Drogengeldern besonders beliebt waren, hat die Schweiz nun auch die Inhaberaktien aus dem Verkehr gezogen. Schuld daran sind das Globale Forum für Transparenz und Informationsaustausch zu Steuerzwecken der OECD sowie die Financial Action Task Force (FATF). Insbesondere die FATF legt sich seit 20 Jahren für die Abschaffung von Inhaberaktien ins Zeug. Inhaberaktien ermöglichten Unternehmen die Ausgabe von Wertpapieren, ohne dass Banken oder Behörden die Identität der Besitzer kannten. Leider, leider mussten Sie die meisten Inhaberpapiere bis zum 30. April 2021 in Namenaktien umwandeln – schade, aber es wird sich bald ein neues Schlupfloch finden.


Kapitel 2


Ihre Vertrauens­personen in der Schweiz

Finden Sie heraus, wer Ihnen bei Ihren kriminellen Machenschaften gute Dienste leisten kann. Jegliche Ähnlichkeit mit echten Persönlichkeiten ist wohl wenig schmeichelhaft – lässt sich aber kaum vermeiden…



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Der Anwalt

Jeder Mensch hat das Recht, verteidigt zu werden, selbst der schlimmste Verbrecher. Ein Teil der Schweizer Anwält*innen interpretiert diesen Grundsatz im weitestmöglichen Sinne. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, den Ausstand eines Staatsanwalts zu verlangen oder Rechtshilfegesuche bis zur Verjährung zu blockieren, schlüpft ein solcher Anwalt gerne in die Rolle des «Finanzintermediärs» oder «Beraters». Dabei schreckt er nicht davor zurück, für dubiose Gesellschaften einen Firmensitz zu organisieren, Stiftungen in Liechtenstein zu gründen oder komplizierte Offshore-Konstrukte auszutüfteln.

 

Dem gebildeten Zeitgenossen ist der Aktenkoffer lieber als die Robe, und er zieht verschwiegene Salons dem Gerichtssaal vor. Seine Eloquenz stellt er dem Meistbietenden zur Verfügung. Wie ein desillusionierter Philosoph dreht er seine Kreise in einem Universum, das vom schnellen Gewinn lebt und welches er insgeheim verabscheut. Wobei: Witwen und Waisen zu verteidigen ist wahrlich kein Kunststück. Wer hingegen ist schon bereit, seinen Kopf für einen korrupten Milliardär hinzuhalten?

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Der Banker

Er erkennt sich überhaupt nicht wieder in der Figur im Film «The Wolf of Wall Street» von Martin Scorsese. Er weiss ja schliesslich die Realität von der Karikatur zu unterscheiden. Der durchschnittliche Genfer Banker kann auch sehr viel besser Englisch als der Schauspieler im Film; nicht selten ist er stolz auf seinen Executive MBA in Harvard. Was die angeblichen Affären mit Freundinnen seiner Geschäftspartner betrifft, die ihm Hollywood im Film andichtet: So etwas würde dem guten protestantischen Geschmack, dem Geschäftssinn und der Bereitschaft zur Selbstregulierung im Finanzsektor völlig widersprechen. Und hat somit nichts mit der Realität zu tun.

 

Wenn er kritisiert wird, wiederholt der Banker gerne seine Argumente gegen die immer wieder neuen Compliance-Verfahren. Er hat aber auch gezeigt, dass er sich anpassen kann. Er ist sogar bereit, selbst Steuern einzutreiben, wenn er dadurch das Bankgeheimnis retten kann. Aber man kann es auch zu weit treiben… Wie soll man sonst noch vertrauensvolle Beziehungen zur Kundschaft oder zu Ländern aufrechterhalten, wenn sie von heute auf morgen mit Sanktionen belegt werden könnten? Dann wäre ja Schluss mit dem Millionensegen in der Branche und mit den fetten Boni am Jahresende. So weit wird es aber niemals kommen, davon ist er überzeugt.

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Die Compliance-Beauftragte

Mittags isst die Compliance-Beauftragte meist alleine. Es ist nicht so, dass sie von Natur aus eine Einzelgängerin ist, aber der Kontakt mit manchen Kolleg*innen verläuft nicht immer reibungslos. Die Spezialistin für Risikovermeidung will mit ihrem steten Misstrauen gegenüber der Kundschaft nicht so recht zu den gerissenen Finanzhaien passen. Die Compliance-Beauftragte ist in ihrer Bank ein Kostenfaktor. Denn ihr Auftrag lautet, gegen die geschäftlichen Interessen der Bank zu handeln.

 

Abschätzige Namen gibt es für sie in allen Sprachen: gatecrasher, aguafiestas, Bonuskillerin,… Sie ist aber auch eine äusserst mühsame Kollegin. Überall sieht sie verdächtige Bankbeziehungen. Wie z. B. bei jenem venezolanischen Kunden, der in kürzester Zeit vom Bodyguard zum Finanzminister aufgestiegen ist. Welch ein Unsinn! Nun gut, als dann auch Medien auf den Fall aufmerksam machten, durfte sie die Meldestelle für Geldwäscherei über die Geschäftsbeziehung informieren.

 

Trotzdem: Sie wird wohl auch in Zukunft alleine vor ihrer Salatschüssel sitzen.

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Der Vermittler

Man sagt, die Handelsbranche lebe von Kontakten. Wenig verwunderlich also, ist das Adressbuch des Vermittlers Evangelium. Teils schaut er finster drein, teils zeigt er beim Lächeln die Zähne, manchmal gibt er sich auch ganz umgänglich. Er hat es geschafft, in jenen Ländern unentbehrlich zu sein, in denen nicht allzu viele Fragen gestellt werden. Ins Bild, das die Medien gerne von ihm zeichnen, passen auch sein militärischer Hintergrund, seine frühere Tätigkeit als Geheimagent oder seine Vergangenheit im Diamanthandel. Aber das war früher. Seine Haut ist von der zentralafrikanischen Sonne gegerbt, sein Körper von alten Narben gezeichnet. Der Mittelsmann ist davon überzeugt, dass er seinen Erfolg nur sich selbst zu verdanken hat. Einst verkaufte er Windeln in Afrika, bevor er über Nacht zum Spezialisten für Eisenminen wurde.

 

Was ihm an seinem Job gefällt? Das Pendeln zwischen zwei Welten: der knallharten Realität der Minen und den Luxushotels der grossen Hafenstädte. Trotz aller Freundschaftsbekundungen weiss der Mittelsmann, dass er für den Handelskonzern eigentlich ein Störfaktor ist, der schlecht zu den Hochglanzbroschüren über «Corporate Responsibility» passt. Damit seine Dienste trotz der heiklen Umstände weiterhin in Anspruch genommen werden, ist er stets bemüht, sich unentbehrlich zu machen.

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Die Treuhänderin

Ein Anruf genügt und sie hilft Ihnen, ein undurchsichtiges Firmenkonstrukt aufzubauen. Sie ist zwar weniger qualifiziert als der Kollege Anwalt, der Ihnen auf Wunsch sogar Ihre Holdinggesellschaft verwaltet. Dafür ist die Treuhänderin umso diskreter. Ihre biografischen Angaben auf der Webseite umfassen gerade mal zwei Absätze: Darin rühmt sie sich, eine grosse Liebhaberin der spanischen/brasilianischen/russischen Kultur zu sein (je nach Zielmarkt). Dort erfahren Sie auch, dass Sie innert 24 Stunden Ihre eigene Offshore-Gesellschaft gründen können, und zwar «ohne Unternehmens- oder Gewinnsteuern», «ohne Mehrwertsteuer» und «ohne Dokumentations- oder Buchführungspflicht». Ein Träumchen für jeden Wirtschaftskriminellen.

 

Für eine persönliche Beratung zur Umgehung von Steuern oder Rechtsvorschriften steht Ihnen die Treuhänderin diskret in ihrer Kanzlei zur Verfügung. Also dort, wo Dutzende Firmen mit exakt derselben Telefonnummer ihren Sitz haben.

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Die Immobilien­maklerin

Warum angesichts der aktuellen Negativzinsen nicht in Immobilien investieren? Und welches Land wäre besser geeignet als die schöne Schweiz, um sich einen hübschen Rückzugsort einzurichten? Bei solchen Fragen hilft Ihnen gerne die Immobilienmaklerin im gehobenen Segment. Als grundsätzliche Opportunistin hält sie sich bereits seit 25 Jahren auf dem Markt. Sie hat alle Entwicklungen mitgemacht; stand schon russischen, usbekischen, indischen oder chinesischen Familien zu Diensten und erfüllte ihnen den Wunsch nach Marmor und einem Tennisplatz im Keller. Ihr Produkt: ein kleines Stück Schweiz – orientalischer Kitsch inklusive.

 

Die Verkaufsargumente kennt sie aus dem Effeff: Stabilität, Neutralität, garantierter Mehrwert beim Wiederverkauf. Und natürlich der angenehme Umstand, dass beim ganzen Geschäft kaum Fragen gestellt werden.

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Der Wirtschafts­prüfer

Unauffälliger geht nicht. In einem anderen Leben wäre er wohl Buchhalter oder Beamter irgendwo in der Provinz. Nun prüft er aber die Buchhaltung von Konzernen mit Sitz in der Schweiz. Anders gesagt: Der Wirtschaftsprüfer wird von einem multinationalen Unternehmen dafür bezahlt, den Wahrheitsgehalt der eigenen Buchführung zu überprüfen. Spricht man ihn in seinem schicken Büro bei einem der vier grossen globalen Auditing- und Beratungsunternehmen auf damit verbundene Interessenkonflikte an, so erwidert er in der Regel: «Irgendjemand muss ja die Prüfung finanzieren!» Vor solcher Redlichkeit sollten alle Dokumentenfälscher und Schönrechner erzittern! Und wenn Sie mit dem Ergebnis – obwohl Sie dafür bezahlt haben – dennoch nicht zufrieden sind, so versuchen Sie doch Ihr Glück bei einem weniger etablierten Berufsgenossen.

 

Der Wirtschaftsprüfer sieht sich als völlig integer – keinesfalls lässt er einen Vergleich zu mit den Kollegen, die in der Konzernberatung tätig sind. Er ist stolz auf seinen Berufsstand – es war schliesslich auch ein Wirtschaftsprüfer, der sich weigerte, den Prüfungsbericht für jenen Rohstoffhändler mit den 100 Millionen Dollar an unbegründeten Ausgaben zu unterzeichnen. Das Unternehmen war dann auf einen weniger gewissenhaften Kollegen ausgewichen, doch am Ende kam der Staatsanwalt der Sache auf die Schliche. Soll mal einer behaupten, dieses System funktioniere nicht…!

 

 

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Der Politiker

«Glauben Sie mir, ich bin Anwalt!» Im öffentlichen Fernsehen oder in der Sonntagspresse führt der Politiker, der gleichzeitig Anwalt ist, stets seinen Beruf an, wenn er die neuste Revision des Geldwäschereigesetzes torpedieren will, oder die Einführung eines nationalen Registers der «Endbegünstigten» von Unternehmen verhindern möchte.

 

Im Plenum des Parlaments stechen die Anwält*innen im Vergleich zur Landwirtschafts- und Versicherungslobby nicht besonders hervor. In den Kommissionen jedoch schöpfen sie ihr Potenzial voll aus. Sie folgen dem Herdentrieb und stimmen geschlossen gegen jeden Hauch einer Reform, die ihr Kerngeschäft tangieren könnte. Gleichzeitig verstehen sie es auch, Verbündete für ihre Sache zu finden.

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Der Bundesanwalt

Sein Stern ist seit den letzten Turbulenzen in der Bundesanwaltschaft zwar etwas gesunken. Dennoch bleibt die Figur des Bundesanwalts zentral für die Lösung grosser Korruptionsfälle. Schade nur, dass die Erfolge der Bundesanwaltschaft angesichts des Handlungsbedarfs in der Schweiz sehr mickrig ausfallen. Ganz zu schweigen von grossen Fällen, die sich in nichts auflösen oder wegen der Verschiebung einer Anhörung verjähren. Für gescheiterte Fälle hat der Bundesanwalt stets eine Ausrede: Gesetzeslücken, Nichtkooperation seitens von autokratischen Regimes, Obstruktion durch Anwält*innen… Wer wollte ihn angesichts dieser widrigen Umstände schon mitverantwortlich machen für den Sumpf, in dem die Bundesanwaltschaft steckt?

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Kapitel 3


Die Extras für Reiche

Machen Sie sich mit all den kleinen Annehmlichkeiten vertraut, die Ihnen Ihre illegalen Geschäfte erleichtern werden.



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Kaum Schutz für Whistle­blower*innen


In der Schweiz gelten Whistleblower*innen zum Glück immer noch als höchst verdächtig oder gar als Verräter*innen. Seit 18 Jahren verwirft das Parlament regelmässig Gesetzesentwürfe zu ihrem Schutz. Sie laufen also kaum Gefahr, dass Ihre Angestellte eine Anzeige einreicht, falls sie Ihr Fehlverhalten entdeckt. Sie selbst hätte viel zu viel zu verlieren und könnte wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses vor Gericht landen. Dies passiert häufiger, als man denkt.


Private Schliess­fächer als Versteck für Ihre Wert­sachen


Wenn Sie sich jeder behördlichen Kontrolle entziehen wollen, können Sie auch auf private Schliessfächer zurückgreifen. Dort können Sie Ihre Goldbarren, Ihr Bargeld oder Ihre vertraulichen Dokumente sicher aufbewahren. Sogar extrem sicher: Denn diese Schliessfächer werden von privaten Unternehmen verwaltet, die im Gegensatz zu Banken keine Compliance-Verpflichtungen haben und ebenfalls nicht neugierig sind. Unabhängig von Ihrem Wohnort und Ihrer Staatsangehörigkeit benötigen Sie nur einen Ausweis, um ein Schliessfach zu erhalten, das auf Ihren oder den Namen einer Firma lautet. Ganz angenehm, oder?


Praktische grosse Banknoten


Die Schweiz will ihre 1000er-Banknote nicht aufgeben – und das zu Recht. Schmutzige Gelder oder nicht deklarierte Finanzmittel können so ohne grosse Probleme grenzüberschreitend verschoben werden. Stellen Sie sich vor: 500’000 Franken passen in einen einfachen A4-Umschlag! Geldwäscher*innen schätzen es besonders, Millionen in ihrem Privatjet und Auto verstauen zu können. Und wenn Sie nicht kontrolliert werden wollen, installieren Sie im Auto einfach einen Kindersitz. Diesen Ratschlag gab kürzlich ein pensionierter Schweizer Bundesanwalt.


Gemeinnützige Stiftungen für Geldwäscherei


Wer sagt, dass reiche Leute geizig seien? Sie hassen nur die Steuerpflicht. Wenn man ihnen jedoch Mittel gibt, um ihr Geld nach Wunsch zu investieren, verwandeln sie sich schnell in freundliche Mäzen*innen für Kunst und Kultur. Die Zahl der in der Schweiz registrierten «gemeinnützigen» Stiftungen von Milliardären und ihren Ehefrauen ist unüberschaubar hoch. Die Kontrolle ist minimal und niemand wird Sie fragen, warum Sie mehrere Millionen für Schulen in Dagestan spenden. Denken Sie daran: Grossspenden machen aus Steuerhinterziehenden wohltätige Gönner*innen – und sie können erst noch von den Steuern abgezogen werden!


Zollfreilager für Ihre Kunstwerke


Bis vor kurzem konnten Sie ein Bild von Manet nicht von einem Monet unterscheiden. Aber jetzt, wo Sie Milliardär*in sind, müssen auch Sie Ihre eigene Gemäldesammlung haben. Die Investition verleiht Ihnen Glanz und bietet eine diskrete Möglichkeit, Steuern zu hinterziehen oder Geld zu waschen. Die Schweiz stellt Ihnen gerne Zollfreilager und offene Zolllager zur Verfügung. In diesen Hochsicherheitsbunkern können Sie Ihre Kunstwerke unter Aussetzung von Zöllen bzw. Steuern (Mehrwertsteuer) lagern und jederzeit verkaufen, ohne dass die Ware das Zollfreilager überhaupt verlässt. Zwar sind die gesetzlichen Grundlagen strikter geworden: Es muss ein Inventar Ihrer Schätze erstellt werden und die Zollbehörden können unangemeldete Kontrollen durchführen. Aber keine Angst: In den Unterlagen müssen Sie nicht namentlich erwähnt werden und können sich hinter einem Spediteur, einer Firma, einem Trust oder Strohleuten verstecken. Alles ganz legal und einfach.


Bussen im Ausland von den Steuern abziehen


Ab dem 1. Januar 2022 werden im Ausland verhängte finanzielle Sanktionen mit Strafzweck «im Ausnahmefall» steuerlich abzugsfähig sein, «wenn sie gegen den schweizerischen Ordre public verstossen oder wenn ein Unternehmen glaubhaft darlegt, dass es alles Zumutbare unternommen hat, um sich rechtskonform zu verhalten». Leider wollte der Bundesrat Bestechungsgelder an Private nicht in diese Ausnahmeregelung einbeziehen. Da haben es die Anwält*innen im Parlament wohl für einmal verpasst, rechtzeitig einzugreifen.


Keinen Rappen für die Opfer von Korruption


Sie wollen nicht, dass Ihr Geld an jene Menschen zurückgeht, denen Sie alles genommen haben? Da kann Ihnen die Schweiz womöglich helfen. Seit zwei Jahrzehnten hält sie sich zwar für die Spitzenreiterin bei der Rückgabe beschlagnahmter Potentatengelder. Es gibt jedoch immer noch erhebliche Schlupflöcher im System. So könnte der Clan des 2019 verstorbenen früheren tunesischen Präsidenten-Diktators Ben Ali einen Teil ihrer in der Schweiz versteckten Millionen zurückerhalten. Die erste Sperrung der Gelder hat zum Glück die gesetzliche Höchstdauer von zehn Jahren erreicht und die zweite Stufe der Sperrung ist abhängig vom erfolgreichen Verlauf der Rechtshilfe zwischen der Schweiz und Tunesien. Die Zeit arbeitet wahrlich nicht zugunsten der Opfer der Korruption von Ben Ali.

 

In einem anderen Fall wählte Genf einen pragmatischeren Weg und versteigerte die «Supercars» von Teodorin Obiang: Der Sohn des äquatorialguineischen Diktators beeilte sich, die Fahrzeuge über einen Strohmann zurückzukaufen. Wurden da die Opfer zweimal betrogen? Dabei hat es die Schweiz doch so gut gemeint.

 

 


Ideal für die ganze Familie


Wenn sie will, kann sich die Schweiz schon von ihrer besten Seite zeigen. Für Betuchte aus aller Welt ist sie sehr empfänglich. Aufgrund der grossen Zahl an Funktionär*innen internationaler Organisationen finden auch Sie hierzulande ein grosses Angebot an internationalen Schulen und jede Menge Institute für Schulversager*innen mit reichen Eltern. Für ein Schulgeld von bis zu 130’000 Franken pro Jahr haben Sie die Gewissheit, dass Ihr Kind tagtäglich von Söhnen und Töchtern von Oligarchen und Minister*innen umgeben ist. So entstehen wertvolle Netzwerke!

 

Sie finden hier auch eine grosse Auswahl an Kliniken, um Ihre Dialyse durchzuführen oder vor den Wahlen im Heimatland Ihr Gesicht und Ihren Körper operativ zu straffen. Ebenfalls erwähnenswert sind die luxuriösen Chalets und Villen sowie das teilweise spektakuläre kulturelle Angebot, das selbst Schweizer Kleinstädte manchmal zu bieten haben. Ihre Familie wird begeistert sein!




Wie in all unseren Texten nutzen wir standardmässig den Genderstern – auch wenn es in den allermeisten Fällen ganze Kerle sind, die sich um Ihre Anliegen kümmern werden.